Schielen (Strabismus)
Was ist Schielen?
Das Schielen (Strabismus) bezeichnet eine Augenfehlstellung, bei der nicht beide Augen beim Fixieren eines Objekts in die gleiche Richtung blicken. Dabei kann sowohl ein Auge von der Sollblickrichtung abweichen, es können aber auch beide Augen beteiligt sein.
Diese Abweichung kann manifest, also ständig vorhanden und sichtbar sein, oder latent, das heißt nicht beständig, sondern nur zuweilen auftretend. Ursache ist meist ein muskuläres Ungleichgewicht der sechs äußeren Augenmuskeln. Oft ist einer dieser Muskeln deutlich zu kurz, beziehungsweise zu lang.
Fixiert ein Augenpaar einen Gegenstand und bildet ihn auf korrespondierenden Netzhautstellen ab, gelingt es dem Gehirn, die beiden Seheindrücke zu einem dreidimensionalen Bild zu fusionieren. Findet die Abbildung in den nur wenig außerhalb dieser Netzhautstellen liegenden Panum-Bereichen ab, verschmelzen die Bilder meist ebenfalls zu einem einzigen Bild und machen dann gleichfalls räumliches Sehen möglich.
Bei dem, was man landläufig einen leichten „Silberblick“ nennt, funktioniert das meistens, bei größeren, auf den ersten Blick sichtbaren Abweichungen ist das nicht so, hier entstehen Doppelbilder, die unbehandelt und unkorrigiert sehr ernste Folgen haben können, bis hin zur Amblyopie, der Schwachsichtigkeit eines Auges.
Da der Mensch dauernde Doppelbilder nicht verträgt, toleriert das Gehirn sie nicht und tut alles, um die Doppelbilder zu verhindern. Da das Einfachsehen für das Gehirn Priorität hat und vor dem Scharfsehen kommt, kann es zunächst zu unscharfem Sehen kommen. Bei längerer Dauer des Schielens schaltet das Gehirn dann ein Auge ab. Das abgeschaltete Auge nimmt nicht mehr am Sehen teil und wird durch den dauernden Nichtgebrauch meist schwachsichtig.
Der Fachausdruck dafür ist „Amblyopia ex anopsia“. Diese Schwachsichtigkeit verliert sich nach einer Korrektion des Schielfehlers nicht und bleibt bestehen. Dieser Mensch ist also funktional einäugig und ohne räumliches Sehen.
Besonders für kleine Kinder hat das unkorrigierte Schielen fatale Folgen, denn dann kann sich das räumliche Sehen gar nicht erst entwickeln. Aber auch bei Erwachsenen mit erworbenem Schielen ist das räumliche Sehen gestört und der Weg führt wie beim Kind auf Dauer hin zur Schwachsichtigkeit des Auges.
Schielen - Formen (Blickrichtungen)
Schielen ist ein Oberbegriff für viele Erscheinungsformen und Ursachen einer Augen-Fehlstellung, bei der nicht beide Augen beim Fixieren eines Objekts in die gleiche Richtung blicken.
Dabei wird der Laie einer verwirrenden Vielfalt von Fachbegriffen begegnen, die wir Ihnen hier einmal aufschlüsseln:
- Einwärtsschielen: Strabismus convergens oder Esotropie ist bei manifestem Schielen die häufigste Schielform vor allem bei Kindern. Bei latentem Schielen wird die Abweichung nach innen auch Esophorie genannt.
- Auswärtsschielen: Strabismus divergens oder Exotropie bei manifestem Schielen. Bei latentem Schielen wird die Auswärtabweichung Exophorie genannt.
- Höhenschielen: Höhenschielen wird als Höherstand Strabismus sursoadductorius, als Tieferstand Strabismus deorsoadductorius genannt. Das Höhenschielen ist meist mit einer anderen Schielform verbunden und kommt separat äußerst selten vor.
- Verrollungsschielen: Strabismus rotatorius oder Zyklotropie wird bei manifestem Schielen je nach Richtung der Abweichung Inzyklo- oder Exzyklotropie genannt. Das Verrollungsschielen wird bei latentem Schielen als Zyklophorie bezeichnet.
Schielens - Ausprägungen
Damit Sie sich zunächst einmal einen Überblick über die vielfältigen Ausprägungen des Schielens verschaffen können, folgt hier eine Kategorisierung der verschiedenen Arten des Schielens:
- Latentes Schielen (Heterophorie)
- Manifestes Schielen (Heterotropie, Strabismus)
- Begleitschielen (Heterotropie) Strabismus concomitans
- Mikrostrabismus
- Normosensorisches Spätschielen
- Akkommodatives Schielen
- Lähmungsschielen (Parese)
- Weitere Arten des Schielens
- Mechanisch bedingter Strabismus
- Pseudostrabismus
Latentes Schielen (Heterophorie)
Die „Heterophorie“ ist eine Störung des Augenmuskelgleichgewichts, die aber vom Gehirn durch die Fusion, einen Mechanismus des beidäugigen Sehens, meist weitgehend ausgeglichen werden kann. Die meisten Betroffenen bleiben dabei beschwerdefrei doch können vor allem bei Ermüdung Kopfschmerzen sowie weitere asthenopische Beschwerden auftreten, auch Doppelbilder können auftreten.
Diese Heterophorie wird oft auch synonym Winkelfehlsichtigkeit genannt. Streng genommen ist aber die Winkelfehlsichtigkeit eine Art des Augenmuskelungleichgewichts, die nur mit der Mess- und Korrektionsmethodik (MKH) nach Hans-Joachim Haase bestimmt werden kann, und anschließend generell mit Prismenbrillen korrigiert wird.
Diese Methodik und die anschließende Korrektion sind umstritten, da sie wissenschaftlich nicht belegt sind. Befürworter nennen allerdings zahlreiche Erfolgsbeispiele.
Ursachen des latenten Schielens
Latentes Schielen betrifft rund 70-80 % der Menschen und wird eher als Normvariante, denn als Augenkrankheit betrachtet. Es macht sich meist nur zeitweise bemerkbar, nämlich dann, wenn durch Übermüdung oder ähnliche Überlastungen die Augen das muskuläre Gleichgewicht auch nicht durch einen Mehraufwand an Vergenzbewegungen herstellen können.
Erst dann führt das gestörte beidäugige Sehen zu Beschwerden wie Kopfschmerzen und Doppelbildern. Dann ist die Fusion der beiden Bilder zu einem dreidimensionalem Bild nicht mehr möglich, weil die Bilder nicht mehr auf korrespondierenden Netzhauthälften oder den sie umgebenden Panum-Bereichen liegen. Diese Heterophorien sind also eher weit verbreitete Varianten eines Normalzustands, der als Orthophorie bezeichnet wird. Um eine Krankheit handelt es sich nicht.
Symptome bei latentem Schielen
Der ständige Versuch das durch eine Heterophorie gestörte Augenmuskelgleichgewicht auszugleichen, ist nur durch einen mehr oder minder großen muskulären Zusatzaufwand herstellbar. Das kann zu Überlastungsbeschwerden führen, die man asthenopische Beschwerden nennt. Dieses Missempfinden kann von Kopf- oder Augenschmerzen über leichte Schwindelgefühle, Konzentrationsstörungen oder Blendempfindlichekit bis hin zu Doppelbildern führen. Treten Doppelbilder auf, dekompensiert die Heterophorie und liefert ähnliche Erscheinungen, wie ein manifestes Schielen.
Latentes Schielen Aufdecktest
Weil das latente Schielen (Heterophorie) sowohl im Kindes- als auch im Erwachsenenalter durch asthenopische Beschwerden wie Doppelbilder, Kopfschmerzen oder Schwindel spürbar wird, kommt es meist auch erst dann zur Feststellung einer Heterophorie oder Winkelfehlsichtigkeit kommen, wenn diese sich einstellen.
Einen Anhaltspunkt, ob eine Heterophorie der Grund für die Beschwerden sein könnte, ist ein einfacher selbst durchführbarer Aufdecktest, der die Fusion aufhebt. Dazu lässt man beide Augen einen Gegenstand fixieren, deckt dann ein Auge mit einem hellen Blatt ab und lässt das offene Auge weiter den Gegenstand fixieren. Nach einiger Zeit deckt man das Auge auf. Besteht nicht spontan ein Einzelbildsehen, sondern wandert das Bild dann erst mehr oder weniger auf das andere Bild zu und verschmilzt dann mit ihm, besteht möglicherweise eine Heterophorie.
Ein Aufdecktest kann erste Anhaltspunkte für latentes Schielen aufzeigen
Manifestes Schielen (Heterotropie)
Als manifestes Schielen oder Heterotropie wird eine pathologische, dauerhafte Abweichung eines Auges von einer gemeinsamen Blickrichtung bezeichnet, die deutlich sichtbar ist. Das manifeste Schielen hat verschiedene Ursachen, Ausprägungen und Formen, und die schielenden Augen können in zahlreiche verschiedene Richtungen von der Parallelstellung abweichen.
Die größte Häufigkeit unter den Schielrichtungen sind das Einwärtsschielen (Strabismus convergens) oder das Auswärtsschielen (Strabismus divergens).
Begleitschielen (Heterotropie; Strabismus concomitans)
Beim Begleitschielen (Strabismus concomitans) bewegen sich beide Augen zwar in alle Blickrichtungen, doch fixieren sie nicht dasselbe Objekt. Begleitschielen bedeutet also, dass bei allen Blickbewegungen das schielende Auge dem nicht schielenden und führenden Auge nicht völlig folgt, sondern einen anderen Sehwinkel einnimmt.
Dabei ist der entstehende Schielwinkel meist bei allen denkbaren Blickbewegungen fast gleich groß, er ändert sich aber bei dem meisten Schielenden beim Blick auf unterschiedlich weit entfernte Gegenstände. Die Zugkraft von den jeweils einander gegenüberliegenden äußeren Augenmuskeln hingegen ist meist gleich.
Allerdings ist das muskuläre Gleichgewicht beim Begleitschielen außer beim Lähmungsschielen gestört und schafft es nicht die beiden Augen optimal auf ein Objekt auszurichten, so kommt es zur Schielstellung der Augen.
Das fast immer angeborene Begleitschielen sollte unbedingt im Kleinkindalter so früh wie möglich behandelt werden. Geschieht das nicht, wird das abweichende, also begleitende Auge eine Schwachsichtigkeit auf dem abweichenden Auge herausbilden. Das Kind wäre dann sein Leben lang funktional einäugig.
Neben dem am häufigsten auftretenden einseitigen (monolateralen) Schielen mit einem Führungsauge und einem geführten, schielenden Auge gibt es weitere Arten des Begleitschielens. Das wechselseitige (alternierende) Schielen kennt kein Führungsauge. Hier schielen die beiden Augen abwechselnd, wobei das vom jeweils schielenden Auge gelieferte Bild vom Gehirn unterdrückt wird. Das hat in diesem Fall den positiven Effekt, das beide Augen ziemlich gleich häufig beteiligt sind und keines der beiden Augen schwachsichtig wird.
Das intermittierende Schielen ist, wie der Name es sagt, ein zeitweiliges Schielen, bei dem meist sogar räumliches Sehen möglich ist. Am häufigsten tritt dieses zeitweilige Schielen als intermittierendes Außenschielen (Exotropie) auf. Die Phasen des normalen Parallelstands und der schielenden Abweichungen können dabei sehr unterschiedlich sein. Das intermittierende Schielen ist ein komplexer Vorgang mit sensorischen Besonderheiten und Anpassungsvorgängen in der Abweichphase.
Mikrostrabismus
Beim Mikrostrabismus (Mikrotropie) handelt es sich um ein beim Blick auf den Schielenden kaum wahrnehmbares Schielen. Dieses geringgradige einseitige Schielen richtet sich meistens nach innen und hat Schielwinkel von nicht mehr als fünf Grad. Diese Anomalie der Netzhautkorrespondenz ist oft therapieresistent, denn sie wird oft erst spät erkannt, wenn das abweichende Auge bereits schwachsichtig ist.
Symptome bei Mikrostrabismus
Mikrostrabismus ist vom Laien nur selten als manifestes Schielen wahrzunehmen. Auf Mikrostrabismus weist vor allem ein Symptom hin: ein funktionierendes beidäugiges Sehen mit ausgeprägtem räumlichen Sehen trotz des Schielwinkels von an die fünf Grad.
Normosensorisches Spätschielen
Das normosensorische Spätschielen ist nicht angeboren und tritt meist in der Phase nach dem dritten Lebensjahr eines Kindes bis zu seiner Einschulung auf. Es äußert sich als plötzlich auftretendes manifestes Innenschielen durch eine verloren gegangene Fusionsfähigkeit, was zu Doppelbildern führt. Das betroffene Kind hält sich oft ein Auge zu oder kneift es zu. Anders als bei angeborenen Schielformen ist beim Eintritt des normosensorischen Spätschielens die Entwicklung des Binorkularsehens meist bereits abgeschlossen.
Symptome bei normosensorischem Spätschielen
Die Symptome beim normosensorischen Spätschielen ähneln denen einer dekompensierten Heterophorie oder dem manifesten Schielen im frühen Kindesalter. Diese Schielart tritt plötzlich im Alter zwischen drei und sieben Jahren auf. Es äußert sich als verloren gegangene Fusionsfähigkeit, die zu Doppelbildern führt. Die kleinen Patienten halten sich oft ein Auge zu oder kneifen ein Auge zu. Sofern sie schon in der Lage sind, ihre Beschwerden zu beschreiben, werden sie auch Doppelbilder als Symptome angeben.
Akkommodatives Schielen
Zum Fixieren und Abbilden von nahen Gegenständen braucht das Auge den komplexen Funktionskreis von Konvergenz (Blick nach unten einwärts) und Akkommodation (Anpassung der Brechkraft des Auges). Häufigste Ursache des akkommodativen Schielens ist die nicht entdeckte oder nicht voll auskorrigierte Weitsichtigkeit. Sieht ein un- beziehungsweise unterkorrigierter Weitsichtiger nämlich in die Ferne, kann er durch die Akkommodation die Brechkraft der Linse so erhöhen, dass er scharf sieht. Weil die Akkommodation aber an die Konvergenz gekuppelt ist, kommt es dabei zu einem Innenschielen. Daneben gibt es noch weitere rein- und teilakkommodative Formen des Schielens.
Ursachen des manifesten Innenschielens bei Kleinkindern
Das Innenschielen bei Kleinkindern ist eine der Formen des manifesten Schielens. Eigentlich kennt man die Ursache des frühkindlichen Innenschielens nicht wirklich. Was man kennt, sind Risikofaktoren dieser Form des Begleitschielens. Zu diesen Risikofaktoren gehört ein gehäuftes Auftreten dieser Schielform in den Elternfamilien. Man geht also mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer Vererbbarkeit aus. Diese meist angeborene und nicht erworbene Art des Schielens betrifft bei uns in Mitteleuropa etwa sechs Prozent aller Kleinkinder.
Weitere Ursachen von kindlichem, angeborenen und manifesten Schielen können Augenkrankheiten sein. So kann ein Kind schon mit einer Linsentrübung zur Welt gekommen sein, oder Augenkrankheiten wie Netzhaut- oder Sehnervenentzündungen erworben haben.
Weitere Risiken für das frühkindliche Innenschielen sind die Frühgeburt des Kindes oder eine nicht beziehungsweise nicht voll korrigierte Weitsichtigkeit. Ein gewisses Risiko besteht auch bei Kleinkindern, wenn die beiden Augen sich in der Stärke ihrer Fehlsichtigkeiten sehr unterscheiden. Diese Arten des frühkindlichen Schielens sind also erworben und nicht angeboren.
Ursachen von manifestem, erst im Erwachsenenalter auftretenden Schielens
Manifestes Schielen kann viele Ursachen haben, wenn es erstmals im Erwachsenenalter auftritt und nicht schon von Kindheit an vorhanden war. Viele Augenkrankheiten, die Netzhaut, Sehnerven, Augenmuskeln betreffen gehören genauso dazu wie strukturelle Anomalien wie beim Brown-Syndrom als Sehnenverdickung eines Augenmuskels. Genauso kann eine endokrine Orbitopathie, mit ihren Entzündungsprozessen an den Augenmuskeln diese strukturell verändern.
Auch einer Verletzung wie die Orbitalbodenfraktur (Bruch des Bodens der knöchernen Augenhöhle) bei der es zu Einklemmungen und Verletzungen vieler Teile des Auges kommen kann ein manifestes Schielen auslösen. In all diesen Fällen bezeichnet man das sich so entwickelnde Schielen als sekundäres Schielen.
Symptome beim kindlichen manifesten Schielen
Für den Laien ist vor allem eine leichte Fehlstellung der Augen oder eines Auges wie es beim Mikrostrabismus der Fall ist, kaum zu erkennen. Deshalb ist es wichtig, speziell bei Kindern, diese Symptome zu beachten und bei Verdacht das Kind sofort dem Augenarzt vorzustellen:
- Lichtempfindlichkeit
- Tränende Augen
- Eine chronische Lidrandentzündung
- Abdecken eines Auges
- Zukneifen eines Auges
- Eine mehr oder minder schiefe Kopfhaltung
- Motorische Unsicherheit und Ungeschick bei Bewegungsabläufen
- Verstimmung mit scheinbar grundlosem Quengeln und Reizbarkeit
Natürlich empfinden Kinder auch das Doppeltsehen oder ein Unscharfsehen, doch sind sie beim Auftreten dieses Symptoms oft noch nicht in der Lage, das auszudrücken.
Manifestes Schielen Test
Bis auf den Mikrostrabismus bedarf es beim manifesten Schielen keines Tests oder Selbsttests, wie beim latenten Schielen, denn das manifeste Schielen ist auch im Kleinkindalter nicht zu übersehen. Sie können anhand dieser Tabelle auch gleich vergleichen, in welche Richtung Ihr Kind schielt:
Die häufigste Schielrichtung ist das Innenschielen, wie auf der obersten Abbildung festgestellt. Sollten Sie auch nur den geringsten Verdacht haben, dass Ihr Kind eines dieser Muster an Augenstellungen zeigt, gehen sie möglichst bald mit ihm zum Augenarzt, damit keine bleibenden Schäden, wie die Schwachsichtigkeit des abweichenden Auges bilden.
Lähmungsschielen (Parese)
Lähmungsschielen tritt sowohl als Teillähmung (Parese) als auch als Volllähmung (Paralyse) auf und kann aufgrund von neurologischen Erkrankungen, als Schlaganfallfolge, als Folge eines Unfalls oder infolge einer Augenmuskelerkrankung ein- oder beidseitig auftreten und betrifft besonders oft den II., IV. und VI. Hirnnerv., aber auch die peripheren Augenmuskelnerven sowie die Punkte, wo die Nerven auf die Augenmuskeln treffen.
Der Schielwinkel ist hier von der Blickrichtung abhängig, denn das schielende Auge ist in der Bewegung eingeschränkt, oder die Bewegung ist einem oder mehreren Augenmuskeln gar gänzlich unmöglich. Diese Bewegungseinschränkung bedingt, dass das schielende dem gesunden Auge nicht in alle Blickrichtungen folgen kann.
Ursachen von Lähmungsschielen
Doch nicht nur direkt das Auge betreffenden Krankheiten, Veränderungsprozesse oder Verletzungen können zu diesem Sekundärschielen führen, wie beim Lähmungsschielen, das meist sehr plötzlich auftritt.
Viele verschiedene Ursachen kommen für das Lähmungsschielen in Betracht. Dabei handelt es sich oft um eine Nervenlähmung, durch die ein oder gleich mehrere Augenmuskeln ihre Funktion versagen oder bei einer Teillähmung zumindest so funktionseingeschränkt sind, dass das betreffende Auge beginnt zu schielen. Auslösen können eine solche Lähmung Entzündungen oder Augenmuskelerkrankungen.
Doch kann das Lähmungsschielen auch ganz andere Ursache haben. So kann ein Augen- oder Gehirntumor dafür verantwortlich sein, die Multiple Sklerose, ein Aneurysma eines Blutgefäßes, oder Durchblutungsstörungen, welche die Augenmuskelnerven betreffen. Diese Durchblutungsstörungen kommen bei Diabetikern und Hypertonikern (Menschen mit erhöhtem Blutdruck) gar nicht so selten vor.
Manche Fälle sekundären Schielens nehmen auch als neurologische Beeinträchtigungen ihren Anfang, wie sie bei Schlaganfällen entstehen können. Doch kann bei bis zu knapp 30 % der Patienten mit Lähmungsschielen die Ursache nicht zweifelsfrei gefunden werden.
Symptome beim Lähmungsschielen
Nur selten bleibt ein Lähmungsschielen dem beobachtenden Laien verborgen, denn das Auge mit Parese (Teillähmung) oder Paralyse (Totallähmung) nimmt an den Augenbewegungen nicht, oder nur sehr eingeschränkt teil.
Die Größe des Schielwinkels ist daher abhängig von der Blickrichtung mal größer und mal kleiner. Vor allem zu Beginn des plötzlich eintretenden Lähmungsschielens wird vom Patienten versucht, mit dem paretischen, oder paralysierten Auge zu fixieren. Das führt zu einem Sekundärwinkel beim Fixieren, der größer ist, als der Winkel des gesunden Auges.
Das führt beim Patienten zuweilen zu Orientierungsstörungen. Zwanghafte Kopfhaltungen rühren von dem Versuch her, durch Kopfbewegungen die mangelnde Beweglichkeit des Auges auszugleichen und Doppelbilder innerhalb des üblichen Gebrauchsblickfelds möglichst zu eliminieren und im besten Fall binokulares Einfachsehen zu ermöglichen.
Weitere Arten des Schielens
Es gibt noch weitere Arten des Schielens, die seltener auftreten. Die mechanisch bedingten Strabismen führen zu strukturellen Veränderungen und Bewegungsstörungen. Zu dieser Strabismusform gehört das Brown-Syndrom als Sehenenverdickung eines Augenmuskels, die endokrine Orbitopathie, bei der Entzündungsprozesse die Augenmuskeln strukturell verändern. Auch eine Orbitalbodenfraktur (Bruch des Bodens der knöchernen Augenhöhle) bei der es zu Einklemmungen kommen kann. Der Pseudostrabismus ist ein „vorgetäuschtes“ Schielen, das keinen eigentlichen Strabismus darstellt. Häufigstes Beispiel ist der Epikanthus medialis, im Volskmund Schlitzaugen genannt. Auch Gesichtsasymmetrien können Ursache für einen Pseudostrabismus sein.
Schielen - Feststellung
Wird ein Kind mit dem Verdacht auf latentes oder manifestes Schielen dem Augenarzt vorgestellt, beginnt ein sehr umfassendes Untersuchungsprogramm, denn selbst das so offensichtliche manifeste Schielen kann sehr verschiedene Ursachen und in der Folge auch gravierende Folgen haben. Auch beim Erwachsenen mit Verdacht auf Heterotropie (manifestes Schielen) oder dekompensierte Heterophorie wird ein ähnlich komplexes Testprogramm absolviert.
Bevor die Untersuchungen beginnen, wird in einem ausführlichen Patientengespräch mit dem Schielenden beziehungsweise den Eltern ermittelt, welche Symptome und Beschwerden sich zeigten, ob es familiäre Häufungen von Schielen vorhanden, Erkrankungen oder Unfälle gegeben hat.
Der Augenarzt wird in jedem Fall eine Überprüfung auf sekundäres Schielen vornehmen, um eine zugrundeliegende schwere Augen- oder Allgemeinerkrankung auszuschießen, die vielleicht bisher noch gar nicht erkannt wurde. Das ganze Auge wird dabei einer intensiven Untersuchung unterzogen.
Refraktionsbestimmung zur Feststellung einer Fehlsichtigkeit
Zu diesem umfassenden Programm gehört zunächst die ganz normale Refraktionsbestimmung, um eine Fehlsichtigkeit auszuschließen, oder eine etwa bestehende Fehlsichtigkeit optimal zu korrigieren. Allein schon eine nicht oder nicht voll korrigierte Hyperopie (Weitsichtigkeit) kann ein Schielen zur Folge haben und am Ende die Schwachsichtigkeit eines Auges.
Ist die Fehlsichtigkeit korrigiert, wird meist zunächst ein Schober-Test oder ein ähnlicher Test vorgenommen, mit dem das beidäugige Sehen getestet wird. Dieser Test zeigt bereits, ob bei diesen Augen ein latentes Schielen besteht, und wie stark es ist.
Schober-Test für das beidäugige Sehen
Vor allem bei kleinen Kindern, für die solche Testanordnungen noch nicht durchführbar sind, hilft der Abdeck-/Aufdecktest, der eine zuverlässige Aussage ermöglicht, ob der Proband schielt. Ihr Augenarzt wird dann auch eine etwaige Zwangshaltung des Kopfes erkennen und die Augenbeweglichkeit testen.
Zunächst wird das führende, fixierende Auge abgedeckt. Beim Abdecken erfolgt dann eine Einstellbewegung des schielenden Auges. Wird umgekehrt das schielende Auge abgedeckt, erfolgt keine Einstellbewegung.
Nun geht es an die Bestimmung des Schielwinkels. Der Schielwinkel wird bei Erwachsenen dann oft am Maddoxkreuz oder einer ähnlichen Testanordnung ausgemessen.
Beim Kleinkind sind solche Testanordnungen nicht anwendbar. Hier wird die Feststellung des Schielwinkels mit dem Prismen-Abdeck-/Aufdecktest durchgeführt. Das Kind bekommt dabei eine Testbrille aufgesetzt, in die so lange stärkere Prismengläser vor das schielende Auge gesetzt werden, bis beim Auf-/Abdecken keine Abweichbewegung mehr feststellbar ist.
Nun können noch weitere Testverfahren die Qualität des räumlichen Sehens folgen. Erst nach dieser sorgfältigen Untersuchung wird der Augenarzt mit dem Patienten beziehungsweise den Eltern das weitere Vorgehen und die empfehlenswerten Therapieansätze besprechen.
Schielen - Behandlung
Wenn die Untersuchungen abgeschlossen sind, kann ein Therapieplan erstellt werden, bei dem vor allem diese Optionen zur Wahl stehen:
- Brillenkorrektur
- Okklusionsbehandlung
- Penalisation
- Pleoptik
- Orthoptik
- Schieloperation
1. Brillenkorrektur
Korrektur der Fehlsichtigkeiten als Voraussetzung der weiteren Therapie
Alles beginnt damit, dass der Augenarzt die Art des Schielens diagnostiziert und mögliche organische Ursachen durch Augen- oder Allgemeinkrankheiten ausschließt, die möglicherweise bis dahin gar nicht entdeckt worden.
Auch beim Lähmungsschielen muss die dahinter steckende Ursache ermittelt werden. Unter Umständen müssen sich weitere fachärztliche Untersuchungen anschließen oder Spezialuntersuchungen wie durch die Kernspintomografie durchgeführt werden. Auch eine vollständige Korrektur einer etwaigen Fehlsichtigkeit muss zum Beispiel durch eine Brille erfolgt sein. Erst dann kann die eigentliche Schieltherapie beginnen, die sich wiederum nach der Schielart richtet.
Dem wird oft eine Schieloperation erfolgen, die auch das kosmetische Problem löst, unter dem Kinder durch häufiges Hänseln besonders leiden.
Brillenkorrektur durch eine Prismenbrille
Prismengläser oder eine Prismenfolie können zur Korrektur eines manifesten Schielens verordnet werden. Oft wird die Verträglichkeit zunächst mit Prismenfolien getestet, die auf der Hinterfläche von die Fehlsichtigkeit voll korrigierenden Brillengläsern angebracht. Mit prismatischen Brillengläsern wird der abbildende Lichtstrahl so abgelenkt, dass das Augenpaar wieder beidäugig ein dreidimensionales scharfes Einzelbild liefert.
Schielen kann durch eine Prismenbrille korrigiert werden
Auch beim Lähmungsschielen können bei kleinen Schielwinkeln Doppelbilder mit Hilfe von Prismengläsern vorübergehend oder dauerhaft eliminiert werden.
Prismenbrillen werden auch bei der Versorgung von Heterophorien verwandt. Diese Störungen des muskulären Gleichgewichts der Augenmuskeln treten bei 70-80 % aller Fehlsichtigen auf und sind daher eher eine Normvariante, als eine Krankheit. Eine Prismenversorgung kommt nach der auch von vielen Augenärzten vertretener Meinung dann in Frage, wenn die Heterophorie dekompensiert ist, also Doppelbilder auftreten. Dann sollte die geringstmögliche Prismenstärke, bei der die Beschwerden nicht mehr auftreten, verwendet werden.
Umstritten und wissenschaftlich nicht anerkannt ist hingegen die Mess- und Korrektionsmethode nach Hans-Joachim Haase zur Feststellung und Vollkorrektur der Winkelfehlsichtigkeit mit Prismengläsern.
2. Okklusion
Häufigste Schielart ist das frühkindliche Begleitschielen. Die Therapie konzentriert sich bei dieser Art des manifesten Schielens zuvorderst auf Maßnahmen zur Stärkung des Sehvermögens des schielenden Auges und zur Erhöhung der Qualität des beidäugigen Sehens.
Nach der Anpassung einer etwaige Fehlsichtigkeit voll korrigierenden Brille kommt hier vor allem die Okklusationstherapie (Ausschlusstherapie) in Frage, die durch Abdecken des führenden, gesunden Auges versucht, die Sehkraft des schielenden Auges zu stärken, oder zumindest zu erhalten. Das schielende Auge wird dabei zum Fixieren und somit zur Teilnahme am Sehen gezwungen. Dazu wird in einem vom Arzt festgelegten Rhythmus mit einem Klebepflaster das nicht schielende Auge abgedeckt.
Bei Kleinkindern ist hierbei eine verlässliche Mitarbeit der Eltern Voraussetzung, denn nur so kann die Methode Erfolge zeigen. Die Dauer dieser Behandlung hängt von dem Grad des Schielens, dem noch erhaltenen Sehvermögen des schielenden Auges und vom Alter des Kindes zu Beginn der Behandlung. Sie kann bis in die Pubertät hinein dauern.
Neben der mit Heftpflastern durchgeführten Okklusion ist bei einem kleinen Brillenträger auch die Brillenokklusion möglich, bei der eine Folie auf die Hinterfläche des betreffenden Auges platziert wird. Ihr Augenoptiker versorgt Sie gern mit einer von ihm passend zugeschnittenen, zuvor augenärztlich verordneten Okklusionsfolie und erklärt Ihnen als Eltern die recht einfache Handhabung.
Auf diesen Therapieschritt kann bei alternierendem Schielen dann verzichtet werden, wenn die Sehschärfe beider Augen annähernd gleich gut ist. Die Okklusion kann das Schielen nicht beseitigen, es soll zu einer annähernd seitengleichen Sehschärfe führen und vom einseitigen Schielen zu alternierendem Schielen führen und die Sehschärfe beider Augen stabil halten.
Ähnliche Therapieformen, die auch einen ähnlichen Effekt haben wie die Okklusion sind die Penalisation und die Pleoptik.
3. Penalisation
Bei der Penalisation gibt es zwei Unterarten, die Nahpenalisation und die Fernpenalisation. Bei der Nahpenalisation wird das bessere Auge durch akkommodationslähmende Augentropfen (wie z.B. Atropin) beim Nahsehen eingeschränkt, während das schielende Auge eine Überkorrektur von + 1 bis + 3 Dioptrien erhält. Dadurch fixiert das schielende Auge nur in der Nähe, das gesunde Auge fixiert nur in der Ferne. Dadurch kann ein Fern- Nah-Alternieren des schielenden und des gesunden Auges erreicht werden.
Bei der Fernpenalisation bekommt das gesunde Auge Atropin und dazu eine Brille mit einer Überkorrektur von + 3 dpt, während das schielende Auge eine Vollkorrektur erhält. Durch das Brillenglas wird die Sehschärfe des Führungsauges in der Ferne herabgesetzt, die Schärfentiefe wird dadurch gleichfalls verringert. Dieses Verfahren ist wirksamer als die Nahpenalisation.
Die vollständige Penalisation führt dem gesunden Auge Atropin zu und lässt bei stärkerer Weitsichtigkeit die Korrektion weg. Bei nur schwachen Hyperopien und allen anderen Fällen wird ein starkes Minusglas eingesetzt. Dadurch werden in keiner Entfernung mehr Gegenstände scharf abgebildet. Dies ist die wirksamste Penalisationsvariante.
4. Pleoptik
Die Pleoptik umschreibt eine ganze Reihe von Verfahren, die bei der Therapie einer durch Schielen verursachten Amblyoplie zum Einsatz kommen. Durch neue, kostengünstige Verfahren wie die Weiterentwicklung der Okklusionsmethodik, bei der kein Apparateeinsatz nötig ist, sank die Bedeutung pleotischer Therapieansätze.
5. Orthoptik
Die Orthoptik (Geradesehen) ist ein Untergebiet der Schielheilkunde (Strabologie) innerhalb der Opthalmologie (Augenheilkunde). Bei der Orthoptik geht es um alle Aspekte des beidäugigen Sehens, darunter die Pathologie und die Physiologie mit ihren sowohl motorischen als auch sensorischen Anteilen. Das geschieht sowohl in der Prävention, der Diagnose und Therapie.
Die Orthoptik hat ein eigenes Berufsbild hervorgebracht. Orthoptisten sind in Sehschulen mit therapeutischen Maßnahmen befasst wie Übungsbehandlungen, die der Verbesserung des Binokularsehens dienen. Orthoptisten haben an Fachhochschulen den Studiengang Orthoptik mit dem Bachelor of Science in Health Studies abgeschlossen und sind hoch spezialisierte Fachleute.
6. Schieloperation
Dienen die zuvor aufgeführten Therapieansätze eher der Minimierung der Folgen eines manifesten Begleitschielens und der Verhinderung einer Amblyopie, dient die Schieloperation der Verkleinerung und im Idealfall der Beseitigung des Schielwinkels sowie der Verbesserung des Aussehens. Vor allem beim frühkindlichen Innenschielen lässt die erfolgreiche Operation die Augen wieder zumindest annähernd parallel stehen und erfolgt zwischen dem zweiten und sechsten Lebensjahr.
Die Operation stellt also das Augenmuskelgleichgewicht weitgehend wieder her. Ein normales dreidimensionales räumliches Sehen wird allerdings nur selten erreicht, da oft bei später Entdeckung des Schielens die Ausbildung des räumlichen Sehens nicht erfolgreich erfolgen konnte.
Schielen bei Kindern und Babys?
Bis auf den Mikrostrabismus ist latentes Schielen auch bei Kleinkindern und Säuglingen von aufmerksamen Eltern kaum zu übersehen. Doch sollte man bei familiär gehäuft auftretendem Schielen, Fehlsichtigkeiten oder Augenkrankheiten nicht auf die Vorsorgeuntersuchungstermine warten, sondern so früh wie möglich das Kind dem Augenarzt vorstellen, wenn auch nur der geringste Verdacht besteht.
Vor allem das beidäugige Sehen Ihres Kindes entwickelt sich in den ersten drei Lebensjahren. Wird erst danach ein Schielen festgestellt, ist es oft schon zu spät und das vom Sehen zur Vermeidung von Doppelbildern abgeschaltete Auge ist bereits schwachsichtig.
Diese Schwachsichtigkeit durch Nichtgebrauch des Auges ist irreversibel und bleibt Ihrem Kind ein Leben lang. Dazu kann nicht nur ein angeborenes muskuläres Ungleichgewicht der Augenmuskeln die Ursache des Schielens sein. Auch schwerwiegende Krankheiten könnten dem zugrunde liegen, die von der Multiplen Sklerose bis hin zum Tumor reichen.
Ein manifestes Schielen ist meist bereits im Kleinkindalter selbst vom Laien kaum übersehbar, spätestens aber geschieht das bei den kostenlosen frühkindlichen Untersuchungen (Kindervorsorgeuntersuchungen zur Früherkennung).
Je früher ein Kleinkind beim Verdacht auf Strabismus einer gründlichen augenärztlichen Untersuchung zugeführt wird, desto geringer sind die Folgeschäden wie im schlimmsten Fall die Amblyopie (Schwachsichtigkeit) eines Auges. Schielen ist nämlich nicht etwa nur ein Schönheitsfehler. Daher sollte beim Verdacht auf Schielen ein Kind spätestens ab dem 6. bis 12. Lebensmonat vom Augenarzt untersucht werden.
Ihrem Kind stehen vor allem bei einem Augenarzt mit dem Schwerpunkt Strabologie eine ganze Reihe von Therapiemöglichkeiten offen.